Bereits zum zweiten Mal lud der Euskirchener Landrat, Markus Ramers, Ende Juni zu einem Sommerempfang ins Kreishaus ein. Über 300 Gäste waren der Einladung gefolgt. Das Schwerpunktthema drehte sich um Sicherheit und Respektlosigkeit. Zwei Podiumsdiskussionen bildeten den Mittelpunkt der Abendveranstaltung, zu der auch Kurve kriegen Euskirchen eingeladen worden war.
Im Rahmen der zweiten Podiumsdiskussion, die sich mit der Frage der Prävention beschäftigte, hatten wir die Möglichkeit, die Initiative „Kurve kriegen“ vorzustellen. Für uns vom „Kurve kriegen“ - Fachkräfteteam in Euskirchen war dies eine besondere und auch bereichernde Erfahrung, nicht zuletzt da die Moderation durch einen an der Thematik hoch interessierten Journalisten erfolgte – Sebastian Tittelbach. Der erfahrene und aus dem WDR bekannte Moderator und Journalist ließ es sich nicht nehmen, die „Tapete“ in Augenschein zu nehmen. (Tapete, so nennen wir vom Fachkräfteteam eine dicke Papierrolle, auf der eine anonymisierte Intensivtäterkarriere mit 140 Straftaten aufgeführt ist.) Unter Anleitung des Moderators entrollte sich nun eine meterlange Auflistung von Straftaten über die Köpfe der erstaunten Gäste hinweg. Das schafft Eindruck! Beabsichtigt, denn deutlicher kann man nicht visualisieren, was das Wort „Intensivtäterkarriere“ bedeutet.
„Frühe Hilfe statt späte Härte“ – so lautet das Selbstverständnis von „Kurve kriegen“. Unweigerlich stellt man sich auch als Fachkräfteteam die Frage: „Was wenn Kurve kriegen damals schon die Chance gehabt hätte, frühzeitig einzugreifen?“ Freiwilligkeit ist ein Schlüsselfaktor für „Kurve kriegen“. Wie hätte es um den Teilnahmewillen dieses Jugendlichen gestanden? Wie viele Straftaten hätten verhindert und wie viele Betroffene / Opfer hätten vor eben diesen Straftaten bewahrt werden können? Wie sehr hätte Kurve kriegen auf den Lebensweg des Intensivtäters einwirken und somit auch ihn schützen können? Absolute Erfolgsgarantien gibt es nicht, aber bisherige Evaluationen sowie die Erfahrungen der Standorte zeigen, dass „Kurve kriegen“ wirkt, dass sich die Hartnäckigkeit und der lange Atem der pädagogischen Fachkräfte lohnen und, fast im Wortsinne, auch auszahlen. Sebastian Tittelbach jedenfalls war sehr erstaunt über die sozialen Folgekosten in Höhe von 1,7 Millionen Euro, die ein Intensivtäter im Durchschnitt bis zu seinem 25 Lebensjahr verursacht. Er zeigte sich hochinteressiert an der Initiative, den Möglichkeiten und Chancen für die Zielgruppe aber auch am Alltag des Fachkräfteteams. Ebenso schien es auch den Gästen der Veranstaltung zu gehen. Darauf lassen zumindest zahlreiche interessierte Fragen im Anschluss an die Podiumsdiskussion schließen.
Unsere „Tapete“ verließ den Abend etwas geknickt – wir nicht. Mit einem sehr guten Gefühl für die Initiative und den Standort Euskirchen schlenderten wir über den Parkplatz dem späten Feierabend entgegen.
Und besser als mit den abschließenden Worten des Euskirchener Landrates Markus Ramers, kann man auch diesen Artikel nicht beenden: „Wenn wir hier investieren, lassen wir kriminelle Karrieren gar nicht erst entstehen“.