Als Standort Köln können wir mittlerweile auf ganze 13 Jahre „Kurve kriegen“-Erfahrung zurückblicken. Ein Zeitraum der uns nicht nur mit Stolz erfüllt, sondern es uns auch ermöglichte, viel Erfahrung zu sammeln, diese zu reflektieren und uns dadurch stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern.
Mit Blick auf die Gesamtheit eines gelingenden Betreuungsprozesses in „Kurve kriegen“ haben wir für uns fünf bedeutsame Bausteine herausgearbeitet, die wir für eine erfolgreiche kriminalpräventive Arbeit als besonders wertvoll erachten. Hierbei sollte erwähnt werden, dass diese „Kölner - Best Practice“ nicht verallgemeinert werden kann, da die Grundvoraussetzungen in jedem Team anders sind (Teamgröße, Stundenanzahl, Wirkungsradius, etc.). Nichtsdestotrotz soll dieser Text Ideen und Anregungen liefern und Nachahmung ist selbstverständlich erlaubt.
Gut ausgebautes Netzwerk
Seit 2011 besteht die Initiative „Kurve kriegen“ in Köln unter der Trägerschaft der AWO und ist im Fachbereich Gewaltprävention angegliedert. Durch diesen gemeinsamen Fachbereich ergibt sich die Möglichkeit einer sehr guten und schnellen Kooperation mit Jugendgerichtshilfe, nachgehender Jugendgerichtshilfe, Wegweiser, Streetwork etc. Hinzu kommt, dass sich die PFK im Kölner Netzwerk kontinuierlich präsent zeigen. Durch stetige Treffen mit Schulen, Jugendämtern, Jugendwerkstätten, Jugendeinrichtungen, Vereinen und Beratungsstellen wird das Netzwerk immer weiter ausgebaut und intensiviert. Dazu gehört auch das Vorstellen von „Kurve kriegen“ auf Anfrage u.a. in Jugendämtern, an Hochschulen oder an Schulen.
Langjähriges Drittanbieternetzwerk
Der Standort Köln arbeitet mit 9 bis 11 Drittanbietern, die die verschiedensten Bedarfe der Teilnehmenden abdecken (Sport, Elternberatung, Lernförderung, Alltagsbegleitung, etc.). Die Besonderheit hierbei ist, dass die meisten dieser Drittanbieter seit vielen Jahren für „Kurve kriegen“ tätig sind. Hierdurch gibt es eine beständige Beziehungsarbeit. Teilweise sind die Drittanbieter in ihren Stadtteilen derart gut integriert, das Jugendliche sie mitunter schon vor Aufnahme in die Initiative kennen. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass schnelle und genaue Absprachen erfolgen und Hilfen passgenau vergeben werden können. Die Sozialraumnähe erleichtert durch ihre Niedrigschwelligkeit den Arbeitseinstieg und bietet zudem eine hohe Identifikationsmöglichkeit.
Zwischen PFK und Drittanbietern findet ein fast wöchentlicher Austausch über die Teilnehmenden statt. Zudem erfolgen regelmäßige vierteljährliche Reflexionsgespräche, um die Qualität zu überprüfen und zur dezidierten Fallbesprechung.
„Vier Gehirne“
Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist die Teamarbeit. Dadurch, dass wir vier Pädagogische Fachkräfte sind, können wir jeden Fall aus vier Perspektiven und Blickwinkeln beleuchten und einordnen. Unsere wöchentlichen Fallbesprechungen bieten den Raum für Ideenbörsen und systemisches- und lösungsorientiertes Arbeiten. Ein zusätzlicher Austausch ist bei Bedarf jederzeit möglich. Jede PFK ist somit weitestgehend bei allen Teilnehmenden im Prozess integriert.
Passgenauigkeit von PFK und Familie
Zunächst wird von Seiten der Polizei bei der Akquise gute Vorarbeit geleistet und die Abstimmung innerhalb des Fachkräfteteams über die Aufnahme eines Teilnehmenden abgewogen. Die Erstgespräche führen wir als PFK grundsätzlich zu zweit durch, so dass ein erster ausführlicher Gesamteindruck des Teilnehmenden und dessen Familie nach dem Vieraugenprinzip gewonnen werden kann. Die sich daran anschließende Clearingphase gestalten wir entsprechend den Charaktereigenschaften des Teilnehmenden, den Bedürfnissen, den Ressourcen, der Mitwirkung, unseres gewonnenen Eindrucks und dem Familiensystem. Auch diese Phase versuchen wir nach Möglichkeit zu zweit zu gestalten, aufgeteilt in Elternarbeit und Arbeit mit dem/der Teilnehmer/in. Durch die intensive Ausgestaltung der Clearingphase bekommen wir in den meisten Fällen einen sehr guten Einblick in die gesamte Familie und können Hilfen gezielt ein- und umsetzen. Für den Fall, dass eine PFK in dieser Phase keinen oder einen ungünstigen Einstieg in die Familie findet, verändern wir die Zuständigkeiten innerhalb des PFK-Teams. Wir agieren bei Bedarf auch in der Clearingphase (oder danach). Dies kann vorkommen, wenn z.B. die Zeitfenster der Familie begrenzt sind, eigene blinde Flecken zu erkennen sind oder das Vertrauensverhältnis nicht beständig ist. In manchen Familien hat es sich als wertvoll erwiesen, die gesamte Hilfe oder einen längeren Zeitraum in Co- zu arbeiten. So bekommen die Teilnehmenden sowie deren Familien jemanden zur Seite gestellt, um beispielsweise Spannungen aufgrund innerfamiliärer Konflikte zu mildern. Es kann dadurch auch ein erweiterter Blick auf und in das gesamte Familiensystem gelingen.
Fokus auf aktiven Teil des Systems
Trotz der Freiwilligkeit der Initiative sind nicht alle Familienmitglieder zu gleichen Teilen offen für den Arbeitsprozess. Wenn Teilnehmende beispielsweise am Anfang nicht offen für die Zusammenarbeit sind, versuchen wir über die Eltern oder andere Bezugspersonen und Akteure (Schule, Verein etc.) die Brücke zum Teilnehmenden zu schlagen.
Wenn weitere Kinder im Familiensystem leben, berücksichtigen wir auch deren pädagogischen / therapeutischen Bedarfe (z.B. Anbindung an therapeutisches Setting), um das gesamte Familiensystem zu stärken, wovon auch unsere Teilnehmenden profitieren.