Luftaufnahme der JVA Werl

    Gemeinsam mit vier Teilnehmern verbrachten wir von der Initiative „Kurve kriegen“ im Herbst letzten Jahres einen Tag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Werl. Die Jugendlichen sollten einen Einblick in das Leben von verurteilten Straftätern “hinter Gittern“ erlangen. Ein Schicksal, dass den Teilnehmern durchaus blühen könnte, sollten sie die „Kurve“ nicht „kriegen“. Das Besondere: Geleitet wurde der Projekttag von einem ehemaligen Inhaftierten, der inzwischen ehrenamtliche Projekte im Rahmen von Präventionsarbeit anbietet und durchführt.



    Der Tag begann sehr früh -  kurz nach sechs wurden die Teilnehmer von uns abgeholt, um in Richtung JVA zu starten. In Werl erwarteten uns bereits der Projektleiter und zwei Justizvollzugsbeamte, die uns durch den Tag begleitet haben.

    Sämtliche persönliche Gegenstände mussten bereits zu Beginn abgegeben werden und es folgte der Gang durch eine Sicherheitsschleuse, um sicherzustellen, dass keine weiteren Gegenstände mitgeführt wurden. Einige der Teilnehmer äußerten noch munter Ideen, wie möglicherweise doch noch Gegenstände mit in die Justizvollzugsanstalt genommen werden könnten – aber Fehlanzeige! Die Bediensteten konnten unmittelbar deutlich machen, dass das nicht möglich ist.



    Die Justizvollzugsbeamten zeigten bzw. demonstrierten den pädagogischen Fachkräften und den Jugendlichen den gesamten Ablauf einer Aufnahme in die JVA. Die sogenannte Anstaltskleidung sorgte bereits für die erste Überraschung. Es handelte sich hierbei nicht mal um größendifferenzierte passende Kleidungsstücke, sondern vielmehr um Kleidung einer Einheitsgröße, welche kaum mit den Modevorstellungen der Jugendlichen übereinstimmte. Nanette Niggemann brachte es auf den Punkt mit der Aussage „Calvin Klein ist hier nicht!“



    Es folgte ein umfangreicher Rundgang durch die JVA, bis wir dann auf die Gefangenen trafen. Diese hatten sich bereit erklärt, mit uns über ihre Biografien zu sprechen. Wir setzten uns in einen Stuhlkreis. Der Projektleiter legte mehrere Karten in die Mitte des Kreises, auf dem verschiedene Straftaten standen. Die Jugendlichen sollten nun Straftaten auswählen und sie den Inhaftierten zuordnen. Es war nun ein deutliches Unbehagen bei den Jugendlichen spürbar, nachdem sie das Ganze zu Beginn des Tages noch nicht sehr ernst genommen haben. Zunächst war keiner der Teilnehmer bereit mit dieser Aufgabe zu beginnen. Mit Unterstützung der Fachkräfte wurden dann nach und nach die Karten verteilt, wenn auch begleitet von einem merklich bedrückenden Gefühl Es folgte eine Vorstellungsrunde aller beteiligten Personen. Die Inhaftierten berichteten offen und direkt von ihren Straftaten und beschrieben übereinstimmend, dass sie alle davon ausgegangen waren, „nicht erwischt“ zu werden, weil sie der Überzeugung waren, ihre Taten schlau geplant zu haben oder schneller zu sein. Das Ergebnis war jedoch, dass die Verurteilung zur Haftstrafe folgte, teilweise ohne gefühlte Aussicht auf Entlassung.

     

    Im Kopf geblieben ist auch die Geschichte eines Inhaftierten, der seinerzeit voller Stolz im Alter von 14 Jahren mit einem Auto eigenständig zur Schule fuhr und dort einen - wie er damals dachte - sehr coolen, aber kurzen Auftritt hinlegte. Heute blickt er reumütig zurück, denn von der Aussicht, einen Führerschein zu machen konnte er sich verabschieden und damit einhergehend von einer unabhängigen Mobilität und / oder der Möglichkeit überhaupt ein „cooles“ Auto zu fahren.



    Die Menschen in der JVA berichteten eindrücklich von ihren damaligen Gedanken und Überzeugungen als sie straffällig wurden und erläuterten danach ihre jetzige Haltung zu den Delikten, die sie begangen hatten. Zwischen den Inhaftierten und den Teilnehmern der Initiative „Kurve kriegen“ entstand im Laufe des Tages ein intensiver Austausch, von dem die jungen Menschen nach unserer Einschätzung profitiert haben. Die Inhaftierten haben die Jugendlichen mit ihrer direkten und ungeschönten Art erreicht und zum Denken angeregt. Ihre Botschaft war deutlich: „Entscheidet euch für ein straffreies Leben.“



    Auch wenn es sich letztlich leicht anhört, sich für ein straffreies Leben zu entscheiden, fällt es den Teilnehmenden der Initiative aufgrund unterschiedlichster Gründe eben nicht so leicht wie anderen Menschen. Für uns von „Kurve kriegen“ ist es ein Anliegen, die Teilnehmenden hierbei engmaschig zu begleiten und dabei auch für alle Beteiligten herausfordernde Situationen auszuhalten. Wir möchten den Jugendlichen – wo sinnvoll - auch mit Hilfe verurteilter Straftäter beibringen, dass es möglich und lohnenswert ist, die Kurve zu kriegen!!