Stephan Moning

    Am 09.09.2011 war für mich als Pädagogische Fachkraft mein Einstieg in das damalige Projekt „Kurve kriegen“. 10 Jahre später ist aus dem Projekt eine Initiative, ein fester Bestandteil der kriminalpräventiven Arbeit in Nordrhein-Westfalen geworden. Sie wurde wissenschaftlich mehrfach evaluiert und hat sich weiter entwickelt in vielfacher Hinsicht…. auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit verschiedener Professionen.

    Die Arbeit mit den Teilnehmenden und den Familien ist noch immer jeden Tag eine neue Herausforderung, die aber definitiv auch Freude macht und mich immer erfüllt hat. Die Arbeit im Fachkräfteteam mit unseren Polizeilichen Ansprechpartnern und Ansprechpartnerinnen und den Kollegen und Kolleginnen aus der Verwaltung ist ebenfalls immer wieder aufs Neue eine spannende und lehrreiche Herausforderung. Ich spreche inzwischen drei Sprachen: Die „Pädagogensprache“, die „Polizeisprache“ und die „Verwaltungssprache“. Jede Profession hat ihre eigenen Abkürzungen, ihre eigenen Verhaltens- und Denkweisen.

    Es hat einige Zeit gedauert zu verdeutlichen, dass die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht zu vergleichen ist mit den Herangehensweisen und Arbeitsroutinen der Polizei. Zum Teil ist es heute noch schwer, pädagogische Einschätzung und polizeiliche Notwendigkeit „übereinander zu bekommen“. Aber sukzessive ist im Laufe der Zeit das Vertrauen auf die Urteilskraft und das Verständnis der jeweils „anderen“ Seite gewachsen.

    Der Einstieg in die Kooperation mit Polizei war für mich ein neues Arbeitsfeld. Ich habe im Vorfeld schon in und mit anderen Strukturen und Systemen, wie Jugendamt, Justizvollzugsanstalten, etc. gearbeitet und hatte mit der Polizei z.B. im Rahmen meiner aufsuchenden Tätigkeit als Sozialarbeiter in der Dortmunder Nordstadt sporadisch zu tun. Aber mein Büro im Polizeipräsidium in einer polizeilichen Dienststelle zu beziehen war 2011 definitiv neu und herausfordernd.

    Ein Beispiel aus der Anfangszeit verdeutlicht das: Nachdem ich mehrere Monate auf die Bewilligung für „mein“ Anti-Gewalt-Training gewartet hatte und alle Versuche es zu beschleunigen fehlgeschlagen waren, erhielt ich die Antwort des damaligen Beauftragten des Haushalts. „Ich hatte einen Großauftrag Telefone, die hatten jetzt gerade Priorität.“ O.K. Großaufträge haben Vorrang vor Kindern und Jugendlichen, die drohen Mehrfach- oder Intensivtäter zu werden. Da musste ich als Pädagoge erstmal schlucken. Aber es war eben Neuland für alle Beteiligten. Auch das hat sich geändert. Routinen und Priorisierungen wurden angepasst, die Wertigkeit und Wichtigkeit unserer Tätigkeit wahrgenommen - heute liegen wir bei der Installation von Maßnahmen im Bereich weniger Tage und Wochen.

    Als Pädagogische Fachkraft der Initiative ist man im PP Dortmund an das Kriminalkommissariat „Kriminalprävention/Opferschutz“ angebunden. Eine aus meiner Sicht absolut stimmige Verbindung. Der Einstieg dort wurde mir leichtgemacht, denn auch wenn die Inhalte und die Kooperationsmechanismen seinerzeit für alle neu waren, menschlich passte es von Anfang an.

    Nach wie vor gibt es natürlich Differenzen, wenn es z.B. um die Einschätzung geht, ob ein Teilnehmender eine Gefährderansprache durch die PAP bekommt, ins Intensivtäterprogramm der Polizei aufgenommen werden soll oder überhaupt für die Initiative „Kurve kriegen“ geeignet, mit den vorhandenen Möglichkeiten und präventiven Methoden erreichbar ist. Das muss meines Erachtens aber auch genauso sein. Die pädagogischen Fachkräfte sind nicht als „Befehlsempfänger“ implementiert worden, sondern aufgrund ihrer Expertise als Berater und eigenständig arbeitende Fachkraft. Ich habe diese Diskurse bis zum heutigen Tag immer als sehr belebend empfunden.

    Wir haben im Laufe der Zeit gelernt, uns im Fachkräfteteam (PAP und PFK) auszutauschen, die Argumente der anderen Profession einzubeziehen und die Kompetenz des jeweils anderen zu respektieren und zu akzeptieren. Wichtig dabei: Ein Pädagoge/eine Pädagogin wird niemals einen Polizeieinsatz leiten und ein Polizist/eine Polizistin wird niemals eine pädagogische Einschätzung oder Diagnostik durchführen… Aber das Verständnis für die jeweils andere Profession ist durch die Zusammenarbeit gewachsen und erforderlich.

    Ich bin Teil der Dienststelle geworden. War bei Weihnachtsfeiern und Geburtstagen dabei und verlasse am 01.12.2021 die Initiative „Kurve kriegen“ mit einem weinenden Auge und mit dem lachenden Auge eine neue pädagogische Herausforderung annehmen zu können.

    Was ich aber „ohne Wenn und Aber“ unterschreiben kann: Pädagogische Fachkraft der Initiative „Kurve kriegen“ zu sein ist eine tolle Aufgabe und ich hoffe, mit meinem kurzen Rückblick bei dem ein oder anderen meiner Profession Interesse geweckt zu haben.